Arcus flying in Namibia

Geschnorrte Energie | Auf der Jagd nach schnellen Linien

Während wir in Bitterwasser auf die Überflug-Genehmigung warten, ergibt sich die Gelegenheit einmal länger mit Dr. Bernd Goretzki zu sprechen. Bernd ist von Beruf Meteorologe und einer der Gründer von TopMeteo.

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1.400 km über der Kalahari

Nachdem Bernd Goretzki und Reinhard Schramme zum Beginn der Saison in Namibia durch sehr schnelle Flüge aufhören liessen, legt das TopMeteo-Team am Heiligabend nach: Als Copilot von Simon Briel fliegt Bernd Fischer 1.400 km von Bitterwasser aus.
Ein Rückblick von Bernd Fischer:

Beim morgendlichen Blick in die Prognosen bin ich mir sicher: „Heute steht die Konvergenz über dem Grenzgebirge zwischen Kalahari und Namib“. Klar zeigt sich die Struktur in der Prognose des Windfeldes in 450 m über Grund, wo sich der aufkommende Westwind von der Namib im Westen Namibias im Tagesverlauf langsam nach Osten in Richtung Kalahari aufbaut. Dazu werden Cumuli mit Basishöhen deutlich über 4.000 m MSL in den Karten angekündigt.

Der Tag in Bitterwasser beginnt mit dem allgemeinen Briefing, das wir im Anschluss im Team der noch zu Weihnachten anwesenden Teilnehmern des 1.000 km-Camps von Wilfried Großkinsky vertiefen: Als Plan stehen anschliessend angemeldete 1.250 km auf dem Aufgabenblatt, wobei um drei Wenden die erwartete Konvergenz zweimal voll ausgenutzt werden soll.

Bereits kurz nach halb 11 heben Simon und ich in der EB28 „3i“ von der Pfanne Bitterwassers ab – für Namibia eine eher frühe Startzeit. Typischerweise ist es um diese Uhrzeit noch blau, doch schon der erste kräftige Bart trägt uns auf gut 1.100 m über Grund. Richtung Pokweni kurbeln wir noch zweimal im Blauen, bevor wir die ersten Wolken erreichen.

Zwischen Rehobot und dem Gamsberg steht ein erster großer Schauer, an dem wir nördlich vorbei in Richtung der ersten geplanten Wende „Niedersachsen“ fliegen. Die ist der hessisch-rheinländischen Cockpitbesatzung aber nicht gegönnt, so dass wir uns bei einer zweifelhaften Wolkenoptik entschliessen, nicht weiter ins das hohe und zerklüftete Gelände einzufliegen.

Nach Süden hin baut dagegen die Wolkenoptik immer besser auf und im Höhenband zwischen 3.500 und 4.000 m kommen wir sehr gut voran. Die Wolken sind zu Straßen gereiht. Die typische Struktur einer Konvergenz mit ihren unterschiedlichen Basishöhen und heraushängenden Frühkondesen fehlt aber noch, aber sie sollte sich nach den Prognosen ja auch erst am Nachmittag richtig aufbauen. So geht es nicht direkt an der westlichsten Wolkenkante entlang, denn nach Osten schließen sich zwei, teilweise auch drei, weitere Reihungen an. Gut erkennbar bauen sich weiter in Richtung Kalahari bereits die ersten Schauer auf.

Gegen 15:00 Uhr und nach den ersten 600 km erreichen wir im Süden an der Grenze des Segelflugsektors die Wende. Über der steht wie bestellt die letzte Quellung, während es weiter Richtung Südafrika – weit ist die Grenze nicht mehr entfernt – blau ist. Simon muss zwar einen Moment suchen, dann bringt uns ein guter Bart aber wieder auf Höhe: 4.600 m lassen uns wieder nordwärts den Anschluss an die sich nun immer linienhafter ausbildende Konvergenz entspannt erreichen.

Was nun folgt, ist selbst für namibianische Verhältnisse nicht alltäglich: Die Konvergenz steht, der Kurbelanteil fällt auf niedrige einstellige Werte und im Geradeausflug geht es nun an der westlichsten Kante entlang. Kaum noch unter 4.000 m schnellt der Schnitt nach oben. Unter dem linken Flügel der EB reicht der Blick weit in die Namib hinein, über der sich keine einzige Wolke mehr zeigt. Hier ist tieferen Schichten bereits die „kühlere“ Meeresluft eingeflossen und schneidet die Thermik von unten ab. Nach rechts reicht der Blick nach Osten nicht ganz so weit, denn die Schauer haben sich schon zu ersten Linien formiert und lassen nur noch wenige Lücken – das müssen wir für den Rückweg im Auge behalten!

Gegen 17:00 Uhr wird die Konvergenz nach Norden unstrukturierter und wir lassen die Nase der EB daher wieder nach Süden drehen. Noch sind es gut 2:30h bis Sunset und wir haben schon fast 1.000 km geflogen, die 1.300 km sind – wenn die Bedingungen weiter so anhalten – fast schon entspannt zu fliegen, vielleicht ist sogar mehr drin …

Die folgenden 200 km fliegen dann nur so vorbei: Ohne einen Kreis geht es die Konverzenz entlang. Nur hin und wieder muss man einen Bogen um die Kondensen fliegen, die aus der nun über 4.500 m hohen Basis heraushängen. Nur etwas mehr als eine Stunde brauchen wir für die Strecke, der Schnitt erreicht zwischenzeitlich rund 190 km/h und wir haben seit der letzten Wende netto sogar noch Höhe gewonnen.

Um 18:10 – gute 1:30h vor Sunset und mit knapp 210km auf Bitterwasser – geht es zum letzten Mal Richtung Norden. Der Plan ist, so weit zu fliegen, bis nicht nur Endanflughöhe auf Bitterwasser haben, sondern vor allem bis sich dort die größeren Lücken in der Schauerlinie auftun. Wir treffen auf Max Schäfer und Michael Wiech, mit denen wir gemeinsam auf Höhe Mariental halbrechts abbiegen – Kurs Bitterwasser, Endanflug …

Nach dem problemlosen Durchqueren der Schauerlinie bieten sich beeindruckende Bilder im Gegenlicht der inzwischen tief stehenden Sonne. Kurz hinter der Pfanne von Bitterwasser hat ein weiterer Schauer einen fast schon kitschig-schönen halbrunden Regenbogen an den Himmel gemalt – versperrt uns aber gleichzeitig auch den Weg, die für die 1.400 km noch fehlenden Kilometer zu fliegen. So loggern wir für die letzten Meter nochmal ein Stück nach Nordwesten in Richtung Pokweni. Resthöhe und vor allem Restzeit haben wir noch genug -, auch um den Blick auf die langgezogene Dünenlandschaft zu geniessen.

Eine Minute vor Sunset, nach 9:01h und 1.406,8 km, rollt das Rad auf der harten Sandpfanne von Bitterwasser. Über den gesamten Flug erreicht der Schnitt bei 159 km/h, 189 km/h waren es in der Zeit der schnellsten 2,5h – am Ende des Tages sind das aber nur die nüchternen Zahlen.

Auch wenn der hintere Sitz der EB für meine Körpergröße nicht wirklich optimiert ist (oder anders herum 🙂 ) und der Flug daher auch unentspannte Phasen hatte, so überwiegen die Eindrücke des Fluges, der sowohl meinen fliegerischen und meteorologischen Horizont erweitert hat. Mein Dank geht deshalb auch und vor allem an alle, die mit dazu beigetragen haben.

Und ja, ich liebe dieses Gefühl, wenn sich das Wetter an die Prognose hält und man (also vor allem Simon 🙂 ) das Optimale daraus gemacht hat …

Welle über den Anden

Klaus Ohlmann ist wieder auf Kilometerjagd!

Am 13.12.2019 flog Klaus Ohlmann von Zapala in Argentinien aus mit 2.831 Kilometern seinen bisher drittgrößten Flug. Das sichtbare Satellitenbild des seit 2017 verfügbaren GOES-16 Wettersatelliten zeigt sehr schön die Wellen, die Klaus für seinen Flug genutzt hat.

Klaus ist regelmäßig in Argentinien, um neue Streckenrekorde zu fliegen. Schon Anfang 2003 hat er mit 3.008,8 km den größten Segelflug (um drei freie Wendepunkte) aller Zeiten durchgeführt. Seitdem ist er weiter auf der Jagd. Ende 2003 fliegt er mit 2.123 km gerader freier Strecke das Preisgeld des Küttner-Preises für den ersten Flug über 2.000 km gerader Strecke ein. Joachim Küttner (+2011) war ein geschätzter Kollege von uns Atmosphären-Physikern, selber Segelflieger und Rekordhalter in Wellenflügen. Er träumte immer davon, aus den Wellen der Sierra Nevada mit Rückenwind nach Osten zu fliegen. Diese Strecke sah Joachim aus eigener Erfahrung als machbar an. Der neue Küttner-Preis über eine gerade Strecke von 2.500 km ist seit 2004 ausgeschrieben und mit 10.000 Dollar dotiert.

Klaus hat nun schon so viele Flüge über 2.500 km absolviert, dass man sie an einer Hand nicht mehr abzählen kann. Das geht nur, wenn man sich auf aufwändige und nervenaufreibende Expeditionen einlässt. Die Flüge dauern dann anstregende 14 Stunden und mehr in kalten Höhen bis 7.000m NN.

Neben den Anden gibt es aber auch andere Streckenparadiese. So flog Jim Payne am 05.04.2015 2.907 km von Minden im Lee der Sierra Nevada. Und unvergessen ist auch der Flug von Terry Delore über 2.049 km. Er überquerte dazu Neuseelands Nord- und Südinsel im November 1994 im Wellenflug.

Das Satellitenbild des geostationären Wettersatelliten GOES-16 der NOAA (USA) gibt uns schon einmal einen Vorgeschmack auf die neue Generation Satellitenbilder. Diese bekommen wir so ähnlich auch von EUMETSAT für Europa und Afrika. Die nächste, dritte Generation der Meteosat-Familie startet ab Ende 2021 in den geostationären Orbit. Dann wird es alle 10 Minuten aktuelle Satellitenbilder von Afrika geben. Im Rapidscan gibt es jede 2,5 Minuten die neuesten Informationen für Europa – und das in doppelter Bildauflösung wie bisher. Schau Dir das Satellitenbild aus Argentinien ruhig schon einmal genau an, um Dich auf die Zukunft zu freuen!

Wellen um 15z bei Zapala

Niederschlag und Segelflug-Klimatologie in Deutschland im Jahr 2019

Die Niederschlagsmenge ist ein guter Platzhalter, um Informationen über die Segelflugbedingungen in einer bestimmten Region zu erhalten. Diese Art von Informationen sind auch entscheidend für das Management des Hochwasserrisikos. So haben die nationalen Wetterdienste hochauflösende quantitative Niederschlagswerkzeuge entwickelt.

In Deutschland bietet der DWD kalibrierte Radarbilder für jede Stunde eines Tages an. Ihre Beobachtungen basieren auf Radarreflexionsmessungen[1], die in geschätzte Niederschlagsraten umgewandelt werden. Diese Transformation wird alle 5 Minuten mit dem großen Netz konventioneller Niederschlagsmessgeräte präzise kalibriert (Winterrath et al., 2012).

Diese aufsummierten Niederschlagsinformationen finden sich in unseren Produkten. Sie wird im Abschnitt der „Prognosekarten“ für Heute und in der App TopMetSat als „Gefallener Niederschlag“ bezeichnet und ist für jede Stunde oder aufsummiert für die letzten 24 Stunden verfügbar. Diese zeigt, welche Regionen nasse oder feuchte Böden haben. Sie weisen daher schwächere Bedingungen auf als von den Modellen vorhergesagt. Tatsächlich trocknet die Energie der Sonneneinstrahlung zunächst die nassen Böden aus. Das verbraucht viel Energie. Während dieser Zeit wird die Erdoberfläche nicht ausreichend erwärmt, so dass die Entwicklung der Thermik verzögert und gestört werden kann. Es gilt aber auch, dass im späteren Tagesverlauf mit Ausbreitungen zu rechnen ist, wenn nach dem Verdunsten des Bodenwassers die Thermik in Gang gekommen ist. Daher ist diese Karte ein schöner Bonus, um die tägliche Flugvorhersage zu verfeinern. Vor dem Fliegen nutzen wir selbst gerne die Niederschläge der letzten Stunden in Kombination mit dem Wetterradar, um die Aktivität von Regenzellen zu bewerten.

Segelflug-Klimatologie

Wir haben diesen Artikel mit der Aussage begonnen, dass die Niederschlagsmenge die Segelflugbedingungen stark beeinflussen kann. Nur zum Spaß wollten wir die Regenhäufigkeit im Sommer mit der deutschen Flugsaison vergleichen. Wir programmierten uns durch unsere Archive, um monatliche und saisonale kumulierte Karten für die Regenmenge zu erstellen. Diese nun erstellte Analyse zeigt starke Unterschiede zwischen den Regionen auf. Vor allem in diesem Jahr war Norddeutschland während der typischen Segelflugzeit (April bis August) trockener als der Südteil. Dies führte zu besseren Segelflugbedingungen im Norden. Dementsprechend haben wir in diesem Jahr beobachtet, dass die Vereine aus dieser Region in der OLC-Bundesliga [2] gut abschnitten haben. Vier der Top-5-Vereine der diesjährigen Bundesliga liegen in Norddeutschland. Im Vergleich dazu 2018: es erreichte kein norddeutscher Verein einen Platz unter den Top 5. Die Darstellung der aufsummierten Regenmenge gibt also eine sehr gute Vorstellung von der Segelflugsaison in Deutschland. In Zukunft wird es interessant sein, diese Daten weiter zu analysieren, um festzustellen, welche Region am empfindlichsten auf Regenfälle reagiert. Im Moment ist lokales Wissen im Zusammenhang mit dem Parameter „Gefallener Niederschlag“ der beste Verbündete für die Planung von Überlandflügen. (Hinweis: Die Werte in der Legende sind mit 10 zu multiplizieren)

Wenn Du an weiteren technischen Informationen zu den angeeichten Radarbildern interessiert bist, dann lass es uns wissen und wir können spezifische Blogartikel vorbereiten.

[1] Die Reflektivität ist die Leistung, die an der Radarantenne empfangen wird, nachdem sie an den Hydrometeoren des Niederschlags reflektiert wurde.
[2] Die OLC-Bundesliga ist ein Wettbewerb zwischen den Segelflugvereinen in Deutschland, der jedes Wochenende zwischen April und August stattfindet. Vereinspiloten werden durch den Vergleich ihrer besten indexierten Durchschnittsgeschwindigkeit auf 2,5 Stunden im Streckenflug bewertet. Das Ergebnis der drei besten Piloten wird benutzt um den Club zu platzieren.

Konvektive Linie im Radarbild

Am 07.08.2019 überquerte am Mittag eine Kaltfront den Süden Deutschlands. Dabei gab es innerhalb der kompakten, geschlossenen Bewölkung dieser Front eine linienhafte Entwicklung der Niederschläge.

Flugspuren auf dem Nebel

Am Nachmittag des 15.11.2018 fliegt ein Jet Holdings über Süddeutschland. Zwischen Ulm und Memmingen hinterlässt das Flugzeug seine Kondensstreifen in großer Höhe. Sie werden als Schatten in den Hochnebel/Nebel des Donautals und des Alpenvorlands geworfen.